Uthlande

Uthlande: Niederdeutsch oder Altdänisch ›Außenlande‹

UthlandeMit dem bereits im Mittelalter geprägten Begriff ›Uthlande‹ sind die dem nordfriesischen Festland vorgelagerten Außenbereiche, die sogenannten ›Außenlande‹, mit den Gestkerninseln Sylt, Amrum und Föhr, den eingedeichten Marschinseln Pellworm und Nordstrand (Halbinsel), die nicht eingedeichten zehn Halligen (Gröde, Habel, Hamburger Hallig, Langeneß, Norderoog, Nordstrandischmoor, Oland, Süderoog und Südfall) und die nicht mehr im Wattenmeer liegende, zum Kreis Pinneberg gehörende Hochseeinsel Helgoland gemeint. Vermutet wird, dass der Begriff ›Uthlande‹ auf die ostdänische Kanzleisprache im ehemals dänischen Lund zurückgeht.

Die friesischen Uthlande mit ihren Inseln und Halligen nahmen im Mittelalter den weitaus größten Teil des heutigen Wattenmeeres ein; eine ausgedehnte und von zahlreichen Prielen durchzogene, in Teilen schwer zugängliche und zerklüftete Landschaft, deren Gestalt durch häufig eintretende schwere Sturmfluten, Überschwemmungen und Verwüstungen sich ständig änderte. Das alte Nordfriesland wurde – da der Flutstrom häufig aus Südwest kam, dann aber wieder in südwestliche Richtung abfloss – von den Gewässern ›durchkreuzt‹ und in Inseln zerteilt. Auf diese Weise seien Eiderstedt, Nordstrand, Föhr und Sylt entstanden, daneben auch kleinere Inseln, Sandbänke, Watten und Halligen (Hansen, S. 2, 1856). In einigen Quellen ist von mehr als Einhundert Halligen die Rede, die es im späten Mittelalter gegeben habe. Erst mit dem Einsetzen des Deichbaus und der Urbarmachung von in weiten Bereichen vermoorten Gebieten durch die Friesen, verwandelte sich der Naturraum allmählich in eine Kulturlandschaft, die besiedelt werden konnte (Meier, 2012).

Hansen zufolge hätten alle diese Veränderungen dazu geführt, dass sich sowohl die politischen und  nationalen Bindungen zwischen den Friesen, den Nord- und Südfriesen und schließlich die politisch-nationalen Bindungen der Nordfriesen untereinander in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Politisch hätten sich in der Folge die Geestharden von den übrigen friesischen Regionen getrennt und seien unter dänisch-schleswigsches Recht gestellt worden. Die übrigen Gebiete Nordfrieslands behielten ihre selbsterlassenen Gesetze, selbstgewählten Richter, Vorgesetzten und Vertreter. Man war lediglich der dänischen Regierung gegenüber steuerpflichtig (Hansen, 1856).

»Diese durch Gewässer von einander gerissenen und von dem Festlande mehr oder minder getrennten nordfriesischen Marschen und Inseln erhielten jetzt den Namen der ›friesischen Uthlande‹. Man verstand also unter den friesischen Uthlanden ein mit besonderen Rechten und Freiheiten versehenes, im Westen des Herzogtums Schleswig liegendes, von Friesen bewohntes Inselland« (Hansen, S. 2/3, 1856).

Eine ähnliche Bewertung finden wir bei Weigelt, wenn es heißt: »In dies von Wasserrinnen vielfach zerrissene, aber trotz derselben zusammenhängende Land traten größere Seestraßen von Westen nach Osten herein, dieselben, die noch jetzt die Schifffahrt zwischen die Watten hindurch ermöglichen, nur daß sie damals zum Theil eine andere Richtung hatten. Um das südliche Ende floß die Eider, außer welcher nördlich von ihr die Hewer und ganz im Norden die Listerdyp die hauptsächlichsten schiffbaren, natürlichen Kanäle waren. Diese und ihre kleinen Nebenzweige trennten zugleich diesen Theil Nordfrieslands von den friesischen Harden oder Districten der Festlandsgeest, sodaß im Lauf der Zeit, wie diese Trennung immer vollständiger ward, für jene ersteren der Name der Uthlande, d.h. der nach außen, außerhalb der festen Küste gelegnen Lande, früh schon im Gebrauche war (Weigelt, S. 82/83, 1858).« Diese physische Abtrennung der Uthlande vom Festland Nordfrieslands, so Weigelt, habe schließlich zur politischen Ablösung geführt.

Die Kenntnis der näherungsweisen Zusammensetzung und erstmaligen Erwähnung der Uthlande im 13. Jahrhundert ist recht eigentlich einem Ereignis aus dem Jahre 1223 zu verdanken. Während Waldemar II – von 1182 bis 1202 Herzog von Schleswig und dänischer König von 1202 bis 1241 – und Sohn sich anlässlich einer Jagd  auf der dänischen Ostseeinsel Lyø aufhielten, wurden sie durch den eigenen Lehnsmann, Heinrich I., Graf von Schwerin, entführt, der mit dieser Verschleppung Gebiets- und Lösegeldansprüche durchsetzen wollte. Erst nachdem Waldemar II, wie gefordert, das gesamte Gebiet zwischen Elbe und Eider abgetreten und das geforderte Lösegeld von 45.000 Mark in Silber aufgebracht hatte, konnte er sich nach mehr als zweijähriger Gefangenschaft im November 1225 freikaufen. Freilich wurde die dänische Großmachtstellung entscheidend geschwächt.

Wohl wegen drückender Finanznöte und der Suche nach zusätzlichen Finanzquellen ließ Waldemar um das Jahr 1231 von seiner Kanzlei – einer Institution, die für Beurkundungen zuständig war – das sogenannte ›Waldemar-Erdbuch‹ anfertigen. Dabei handelte es sich um ein  Steuererfassungbuch, das in lateinischer Sprache angelegt wurde. Darin enthalten sein sollten eine Übersicht der steuerlichen Verhältnisse aller dänischen, in Syssel und Harden aufgeteilten Verwaltungsbezirke, Güter, Einnahmen, die Besitztümer der Königsfamilie und jener Gebiete, die in direktem Besitz des Königs  waren, sogenanntes Krongut (Auge, S. 39, 2016). Die besondere Bedeutung des Erdbuches aus dem dreizehnten Jahrhundert liegt auch darin, dass die nordfriesischen Harden und Kirchspiele nicht nur akribisch aufgeführt, sondern darüber hinaus viele kleinere Orte und Verwaltungsbezirke Erwähnung finden, die bisher unbekannt waren. Der Name ›Uthland‹ wird darin als eigenständige Überschrift geführt und enthält die zwei Marschharden Wiedingharde und Bökingharde, die nordfriesischen Geestinseln Sylt, Föhr und Amrum sowie die Harden  der Inseln Strand (mit den Harden Beltringsharde, Edomsharde, Lundbergharde, Pellwormharde und Wiriksharde) und Eiderstedt (mit den Harden Eiderstedt, Everschop und Utholm), also das Gebiet zwischen Eiderstedt im Süden und Sylt im Norden (Meier, Rungholt, S. 22, 2016). Außerdem enthält es wertvolle Einblicke in die zu jener Zeit bestehenden Macht- und Sozialstrukturen des dänischen Reiches. Insgesamt sind im Erdbuch die Namen von vierzehn Inseln aufgeführt, von denen drei (Gæstænacka, Hwælæ major und Hwælæ minor) nicht mehr identifiziert werden konnten. (Newig, S. 25, 2004).

Vertraglich erwähnt wurde der Begriff ›Uthlande‹ zum ersten Mal in einem zwischen den Friesen und Hamburg geschlossenen Vertrag aus dem Jahre 1261 (Meier, 2012), da die soziale Zusammensetzung und auch der politische Status der damaligen Inseln und Halligen sich von dem Festland deutlich unterschied.

Um das Jahr 1642 erhielt der Husumer Mathematiker und Kartograf Johannes Mejer (*1606 – †1674) vom dänischen König Christian IV. den Auftrag, zunächst die Westküste der Herzogtümer Schleswig und Holstein zu kartieren. Mejer, der 1645 durch Friedrich III. von Gottorf und 1647 durch den dänischen König zum Hofmathematiker ernannt wurde, erhielt um 1645 schließlich von beiden Landesherren den Auftrag, die Herzogtümer Schleswig und  Holstein komplett zu kartieren. 1652 erschien in der ›Danckwerthschen Landesbeschreibung‹ zum ersten Mal ein regionaler Landesatlas mit 40 Karten (Borzikowsky, 2006). Diese zeigen unter anderem den angenommenen Verlauf der schleswig-holsteinischen Westküste, der bis in das Jahr 1240 zurückreicht. Auch Landflächen und Orte sind eingetragen, die »weit über die Grenze des heutigen Wattenmeeres in die Nordsee reichen« (Quedenz, 2020). Heute werde diese Karte von Forschern inzwischen als überwiegendes ›Fantasieprodukt‹ angesehen, so Quedenz. »Die kritische Untersuchung der Quellen dieser Karten durch P. Lauridsen und R. Hansen auf Grund des reichen Materials der dänischen Bibliotheken und der ›Desingnatio der Harden und Kercken in Frisia Minori oder Nordfresslandt, Ao. 1240‹ in der Handschrift 222 A der Kieler Universitätsbibliothek haben jedoch ergeben, daß die karthographischen Darstellungen für die Geographie so gut wie wertlos sind« (Breckwoldt, 1913).

Mit der Zweiten Marcellusflut, der sogenannten Großen Mandränke (Großes Ertrinken) im Jahre 1362, und der Burchardiflut am 12. Oktober 1634, sind große Teile der Halligen, Harden, des Festlandes im Meer versunken, andere Teile sind durch Eindeichung und Landgewinnung Teil des Festlandes geworden.

© Fotografie | Dieter Johannsen

Literaturverzeichnis

Abbildung