Springtide

Eine Springtide stellt sich alle zwei Wochen ein

Springtide am 22. September 2021Das Vorhandensein einer Springtide, die sich alle vierzehn Tage einstellt, bleibt in den meisten Fällen eher unbemerkt, da sie eine tendenziell weniger auffällige, bei genauerem Hinsehen durchaus bemerkbare Erscheinung der Gezeiten ist. Bei auflaufendem Wasser ist der Wasserspiegel nur wenige Zentimeter höher als bei einer normalen Flut. Beschreiben wir zunächst die Entstehung der Gezeiten, die sich am auffälligsten im Bereich des Wattenmeeres der Nordsee beobachten lassen.

Zweimal täglich bewegt sich das Wasser, mehr oder weniger geräuschvoll, in Meeresrichtung, fließt solange ab, bis in bestimmten Bereichen der Wattenboden am gemessenen Pegelstandort seinen Tiefststand (Tnw) erreicht hat oder ›trockengelegt‹ ist. An zahlreichen Stellen des nordfriesischen Wattenmeeres hat sich das Wasser in die unendlich scheinende Weite der Nordsee zurückgezogen. Nach 6 Stunden und 25 Minuten kehrt sich der Vorgang um, das Wasser kommt zurück, strömt wieder zur Küste, es flutet, bedeckt den Wattenboden erneut, erreicht schließlich am Pegelstandort sein Maximum (Thw) und bleibt noch einmal 6 Stunden und 25 Minuten. Dieser Zyklus wird als Tide, Gezeiten oder Ebbe und Flut bezeichnet. Die Differenz zwischen dem höchsten Punkt der Flut (Thw), dem Scheitel, und dem tiefsten Punkt (Tnw) wird als Tidenhub oder Gezeitenhub bezeichnet. Mathematisch ausgedrückt bezeichnet man den Tidenhub auch als das arithmetische Mittel der Differenz aus dem Tidenstieg und dem Tidenfall einer Tide.

Wie entstehen Ebbe und Flut?

An der Ostsee fällt der Tidenhub kaum auf, da dieser sich lediglich zwischen 10cm und 30cm bewegt. Verantwortlich für die jeweiligen Wasserstände an einem bestimmten Messort sind die gezeitenerzeugenden Kräfte der Planeten Sonne, Erde und Mond. Das Planetenpaar Erde und Mond dreht sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt, der noch innerhalb der Erde, aber 4700 km vom Erdmittelpunkt entfernt liegt. Durch die Erdrotation entstehen Fliehkräfte (Zentrifugalkräfte), die sowohl auf der mondabgewandten als auch auf der mondnahen Erdseite gleichmäßig stark wirksam sind. Nun entsteht infolge der Massenanziehung (Gravitationskraft) von Erde und Mond zunächst ein ›Wasserberg‹ (die Flut) auf der dem Mond zugewandten Erdseite. Gleichzeitig bildet sich auf der dem Mond abgewandten Erdseite – durch die aufgrund der Drehung beider Planeten um den gemeinsamen Schwerpunkt entstehenden stärkeren Fliehkräfte (Zentrifugalkräfte) – ebenfalls ein ›Wasserberg‹. Der Abstand zwischen Erde und Mond bleibt in einem stabilen Zustand, da sich Gravitationskräfte und Zentrifugalkräfte gegenseitig ausgleichen (Kölmel, 2016).

Wodurch entsteht eine Springtide?

Fällt während einer Flut der Wasserstand besonders hoch aus, sprechen wir von einer Springtide. Sie wiederholt sich alle vierzehn Tage. Damit es dazu kommt, müssen bestimmte Voraussetzungen, die  gegeben sein. Entscheidend ist die Position der Planeten Sonne, Mond und Erde zueinander. Sie befinden sich auf einer gemeinsamen Achse. Von der Erde aus gesehen beträgt der Winkelabstand zur Sonne und zum Mond 180°. Es gilt das physikalische Gesetz, dass alle Körper sich aufgrund ihrer Masse gegenseitig anziehen. So zieht die Erde den Mond und umgekehrt der Mond auch die Erde an. Die Eigenschaft der gegenseitigen Anziehung wird Massenanziehung oder Gravitation genannt.

Befinden sich Sonne, Mond und Erde auf einer Geraden, kommt es infolge der Addition der Gravitationskräfte zu einer sogenannten Springtide, häufig auch als Springflut bezeichnet. Zusätzlich wirken die gezeitenerzeugenden Kräfte der Sonne mit etwa 46 Prozent der Gezeitenkräfte des Planetenpaares Erde und Mond. Da die Gravitationskräfte in eine Richtung wirken, ist der Einfluss auf die Wassermassen am größten (Kramer, 1989). Man nennt diese Konstellation der auf einer Achse liegenden Planeten ›Opposition‹. Gleichzeitig weist ein in Opposition stehender Planet seine geringste Entfernung zur Erde auf und erscheint besonders groß und hell. Mond und Sonne haben von der Erde aus betrachtet einen Winkelabstand von 180°. Befindet sich die Erde zwischen Sonne und Mond, so herrscht Vollmond. Befindet sich der Mond zwischen Sonne und Erde, so haben wir Neumond. Der Mond bleibt von der Erde aus betrachtet unbeleuchtet. Beide Planetenkonstellationen führen zu einem erhöhten Tidenhub. Die Differenz zwischen dem mittleren Tideniedrigwasser (MTnw) und dem mittleren Tidehochwasser (MThw) vergrößert sich, der mittlere Tidenhub nimmt also zu.

© Fotografie | Dieter Johannsen

Literaturverzeichnis

Abbildungen