Marcellusflut 1362

Die zweite Marcellusflut von 1362 trägt den Beinamen ›Grote Mandränke‹

Marcellusflut 1362 | SymbolfotoDie zweite Marcellusflut von 1362, auch ›Erste Grote Mandränke‹ oder ›Mandrankels‹,  wird in Hochdeutsch als ›großes Ertrinken‹ bezeichnet. Mehr als zwei Meter schlagen die Nordseewellen mit großer Vernichtungskraft über die Deichkrone.

Für Schleswig-Holstein war diese Sturmflut deshalb so verheerend und schicksalhaft, weil sich der Küstenverlauf grundlegend und dauerhaft verändert hat. Die Wassermassen drangen bis zum Geestrand vor und vernichteten auf Dauer große Teile der nordfriesischen Marsch. Der Chronist und Pastor der Hallig Nordstrandischmoor, Anton Heimreich, berichtet 1666 in seiner ›Nordfriesischen Chronik‹, die als die älteste Chronik Nordfrieslands gilt, von 21 gebrochenen Deichen und 34 zerstörten Kirchen. Zwischen 10.000 und 100.000 Menschen sollen der ›Marcellusflut 1362‹ zum Opfer gefallen sein. Ehemals große zusammenhängende Landmassen Schleswig-Holsteins wurden von der ›Großen Mandränke‹ weitflächig überflutet. Dies war die Geburtsstunde der Halligen und einzelner Inseln.

Die ehemals reiche und legendäre Siedlung Rungholt, die zudem als groß und gottlos galt, versank in den Fluten. So berichtet es die Chronik von Anton Heimreich, in der die Stadt Rungholt erstmals Erwähnung findet und nur deshalb vor dem Vergessen bewahrt werden konnte. In der berühmten Ballade ›Trutz, Blanke Hans‹ von Detlev von Liliencron aus dem Jahr 1883 wird dieser Untergang eindrucksvoll geschildert und findet in der neunten Strophe schließlich ihre apokalyptische Endzeitstimmung:

»Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken,
und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm andern Tags der stumme Fisch. –
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, Blanke Hans!«

Lange Zeit hindurch hat man angenommen, dass es Rungholt nie gegeben habe, eine Art Fata Morgana sei, ein Phantasiegebilde, eben ein Mythos, eine Fabel gewesen sei. Anton Heimreichs Erwähnung vom Untergang der Stadt Rungholt galt entsprechend als Legende. Detlev von Liliencron diente die Erwähnung Rungholts durch Heimreich übrigens als Vorlage für die Ballade ›Trutz, Blanke Hans‹

Heute wissen wir, dass es Rungholt tatsächlich gegeben hat. Belegbare Nachweise wurden erst zwischen 1921 und 1938 gefunden, als das Gezeitenwasser nördlich der Hallig Südfall Überreste von Zisternen, Brunnenreste, Ruinen und Warften freigelegt hatte.

Nicht weniger verheerend war die ›Burchardiflut‹ vom 11. auf den 12. Oktober 1634. Da diese Sturmflut mit den Verwüstungen der ›Ersten großen Mandränke‹ nicht wenige Parallelen aufwies und noch im kollektiven Gedächtnis verankert war, nannte man die Burchardiflut die ›Zweite große Mandränke‹. An der Nordseeküste zwischen Ribe (Dänemark) und Brunsbüttel kam es zu schweren Zerstörungen. Besonders schwere Schäden wurden im Bereich Nordfriesland registriert. Die ehemals große Insel Strand wurde in Nordstrand und Pellworm auseinandergerissen. Etwa 9.000 Menschen kamen allein in Nordfriesland um Leben.

© Fotografie | Dieter Johannsen

Literaturverzeichnis

Abbildung

  • © Dieter Johannsen – Titel: Stürmische Nordsee am 08. September 2018 am Dagebüller Hafen